Systemische Therapie

Die systemische Therapie ist neben der Verhaltenstherapie und den tiefenpsychologischen Therapien eines der wichtigsten psychotherapeutischen Verfahren. Der systemische Ansatz sieht Menschen nicht für sich allein, sondern als Teil eines sozialen Systems.

Ziele der systemischen Therapie

Die Ziele der Therapie werden gemeinsam überlegt und festgelegt. Sie werden im Laufe der Zeit immer wieder überprüft und wenn nötig geändert und angepasst.

Ein grundsätzliches Ziel der systemischen Therapie ist die Stärkung der Autonomie und des Selbstwertes jeder einzelnen Person sowie eine Veränderung der leiderzeugenden Beziehungsmuster eines Systems. Dabei soll der Zusammenhalt im System gefestigt und die Kommunikation und der Austausch zwischen den einzelnen Mitgliedern verbessert werden. In der systemischen Therapie findet eine Vernetzung der Probleme mit den Rahmenbedingungen statt, in welchen die Probleme überhaupt erst aufgetreten sind. Durch diese Vernetzung kann die Funktion und die Bedeutung der Probleme im sie umgebenden Beziehungssystem verdeutlicht und überprüft werden, um zu einer Lösung und möglichen Veränderung zu kommen.

Im psychotherapeutischen Bereich steht die Behandlung von psychischen Erkrankungen im Vordergrund, im Beratungsbereich die Unterstützung bei Entscheidungsprozessen und bei jeglicher Art von Konflikten.

Vorgehensweise

Die therapeutische Arbeit erfolgt abhängig von der Problemstellung und den Vorstellungen der Teilnehmer als Einzel- oder Gruppentherapie. Dies bedeutet, dass sowohl mit dem gesamten System als auch mit Teilsystemen oder eben mit einer einzelnen Person gearbeitet werden kann. Die systemische Therapie wendet sich somit an Einzelpersonen, Paare, Familien, Gruppen, Organisationen und andere soziale Systeme. Es können auch bestimmte relevante Bezugspersonen nur zu einzelnen Sitzungen eingeladen werden.

Dauer und Sitzungsfrequenz

Die durchschnittliche Dauer einer systemischen Therapie beträgt einige Monate bis zu einem Jahr. Zwischen den einzelnen Sitzungen sind meist zwei bis vier Wochen Abstand.

Die systemische Therapie geht davon aus, dass die entscheidenden Prozesse nicht in, sondern zwischen den Sitzungen stattfinden. In den Zeiten zwischen den Sitzungen sollen die Mitglieder des Systems neue Erkenntnisse aus den Sitzungen in ihrem Lebensalltag ausprobieren und Hausaufgaben umsetzen. 

Neben der psychotherapeutischen Behandlung des Einzelnen in/mit seinem Bezugssystem (Einzel-, Paar- oder Gruppensetting) findet der systemische Ansatz mittlerweile auch Anwendung im Unternehmensumfeld, z.B. bei der Arbeit mit Teams oder Organisationen. Die systemische Perspektive kann hier auf ganz unterschiedliche Art und Weise genutzt werden, z.B. in sozialer Arbeit mit dem Schwerpunkt auf Unterstützung und Lösungsorientierung oder in Wirtschaft und Politik in strategischen Fragen, aber auch in Bezug auf verschiedene mögliche Formen des Austauschs und der Zusammenarbeit.

Weitere Therapiemöglichkeiten

Dies ist ein Auszug an gängigen Therapiemöglichkeiten. Besprechen Sie mit Ihrem Facharzt nach der sorgfältigen Diagnostik, welche Therapieform für Sie die richtige ist.

Methoden der Systemischen Therapie

Systemische Fragetechniken

Alle systemischen Fragetechniken haben das Ziel, Informationen über das System zu gewinnen und zu verdeutlichen, dass bestimmte Situationen und Lebensumstände von den einzelnen Mitgliedern des Systems unterschiedlich erfahren werden. Des Weiteren sollen die Systemmitglieder durch die Fragen angestoßen werden, neue Lösungsmöglichkeiten zu entwickeln und zu erkennen. Die systemischen Fragetechniken dienen somit dem Informationsgewinn, sind aber gleichzeitig auch therapeutische Interventionen.

Refraiming

Refraiming bedeutet „Umdeuten“. Der Therapeut regt an, Sachverhalte in einem anderen Bedeutungs- und Interpretationszusammenhang zu sehen, damit eine Umdeutung stattfinden kann. Einem Problem oder Symptom wird dadurch ein anderer Sinn gegeben, indem es in einen anderen Kontext (einen anderen Rahmen, englisch: „frame“) gestellt und so eine neue Sichtweise eingeführt wird. Meist gilt eine Person im System als Symptomträger und derjenige, der „behandelt“ werden soll. Ein Refraiming kann stattfinden, indem diese Person in der Therapie z.B. als derjenige beschrieben wird, der anzeigt, dass sich das System in einem Veränderungsprozess befindet.

Die wertschätzende Konnotation

Die wertschätzende Konnotation kann in allen Phasen der Therapie zum Einsatz kommen. Hier geht es eigentlich weniger um eine konkrete Methode, sondern um eine therapeutische Einstellung und Haltung. Durch die wertschätzende Konnotation zeigt der Therapeut Anerkennung, Wertschätzung und Respekt für das Erleben und Verhalten des Systems und seiner Mitglieder.

Paradoxe Intervention

Eine paradoxe Intervention bedeutet in der Regel die beabsichtigte Verschreibung des problematischen Verhaltens und ist somit ein Auftrag, der eigentlich das Gegenteil dessen bezwecken möchte, was er besagt (deswegen „paradox“ für „widersprüchlich“). Z.B. könnte der Therapeut dem immerwährend streitenden Paar auftragen, jeden Abend eine Stunde vor dem Abendessen zu streiten – aber nur in diesem Zeitfenster. Oder einer Person, die unter Schlaflosigkeit leidet, zum Wachsein auffordern. Dies soll helfen, Automatismen zu verändern, die gewohnte Sichtweise zu „verstören“. Durch derartige Interventionen gerät das erstarrte, unflexible System wieder in Bewegung und hat die Chance, alte Regeln und Muster zu revidieren und sich neu zu organisieren. Die genaue Formulierung der paradoxen Intervention ist dabei entscheidend, denn sie muss möglichst gut auf den individuellen Kontext der Person angepasst werden, um als Verschreibung glaubwürdig zu sein.

Geschichte, Metaphern, Witze

Auch durch das Einsetzen von Geschichten, Metaphern und Witzen kann einem System geholfen werden, einen neuen Blickwinkel auf die Situation zu finden. Zum einen können potentielle Widerstände mit dieser Technik umgangen werden und zum anderen hilft es den Systemmitgliedern, sich von der meist ernsten, konfliktbeladenen Situation ein wenig zu entfernen und diese mit Distanz und wenn möglich auch humorvoll zu betrachten.

Soziogramm und Genogramm

Durch ein Soziogramm lassen sich soziale Beziehungen in einem System grafisch darstellen. Jedes Mitglied des Systems erhält ein Symbol und die Beziehungen zwischen den Mitgliedern können mit verschiedenen Verbindungslinien dargestellt werden. Mit einem Genogramm können die meist komplexen Informationen über die Vorgeschichte, die Beziehungen und wiederkehrende Konstellationen einer Familie übersichtlich visualisiert werden. Ein Genogramm ist mehr als ein Stammbaum, es kann dem System die eigene Herkunftsgeschichte verdeutlichen und helfen, bestimmte Verhaltensmuster und Regeln, Gewohnheiten und Traditionen im System besser nachzuvollziehen. Es hat sich hierfür eine Zeichensprache mit bestimmten Symbolen bewährt. Das wichtigste bei dieser Methode sind neben dem Informationsgewinn die Geschichten, die zu den Informationen und Daten erzählt werden.

Aufstellung

Bei einer Aufstellung wird versucht, die aktuelle Situation eines Systems durch eine Art „Standbild“ darzustellen. Dies kann in einer Einzeltherapiesituation mit Objekten (z.B. mit Gegenständen, Spielfiguren oder Stühlen) umgesetzt werden oder aber mit einer Gruppe von Personen. Bei der letzteren Variante sucht die aufstellende Person „Stellvertreter“ für bestimmte Personen oder auch für Symptome seines Problems. Diese Personen stellt er im Raum nach seinem Empfinden auf, so wie er das System zum Zeitpunkt der Aufstellung erlebt, wie sein inneres Bild des Systems aussieht. Wenn die Aufstellung erfolgt ist, werden diese symbolischen Repräsentationen der Beziehungen unter therapeutischer Begleitung betrachtet und gemeinsam auf deutlich werdende Strukturen, Beziehungskonstellationen, Muster, unterdrückte Konflikte u.ä. geblickt. Hierbei spielt das Erleben der aufstellenden Person eine wichtige Rolle, aber auch die aufgestellten Personen können Rückmeldungen geben, wie sie sich in den verschiedenen Positionen fühlen, welche Gedanken und Empfindungen sie als „Stellvertreter“ haben.

Abschlussintervention

Die Abschlussintervention ist ein wichtiges Element in der systemischen Therapie. Am Ende einer Sitzung wird den anwesenden Personen ein Resümee oder eine Aufgabe mit auf den Weg gegeben. Dies kann eine „Verschreibung“ sein, im Sinne einer Hausaufgabe (oft auch als paradoxe Intervention) bis zur nächsten Sitzung oder ein Kommentar. Diese Intervention knüpft an das Geschehen der vorausgegangenen Sitzung an, wertschätzt das System und bringt, wenn möglich, neue Aspekte und Blickwinkel der Sitzung (im Sinne eines Refraiming) mit ein. Die Abschlussintervention sollte eine Balance darstellen zwischen Herausforderung und Bestätigung des Systems und zum kontinuierlichen Ausprobieren und Entwickeln anregen.

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